Diabetes mellitus

Kategorie Lexikon
Stand17.10.2012
Enthaltene Parameter
Glukose; Glykohämoglobin (HbA1c)
Zusatzinformation
Hintergrund
Unter dem Begriff Diabetes mellitus (DM) werden heterogene Stoffwechselstörungen mit dem gemeinsamen Leitbefund der chronischen Hyperglykämie zusammengefasst, die als Folge einer gestörten Insulinsekretion (absoluter Insulinmangel) und/oder einer gestörten Insulinwirkung (relativer Insulinmangel) entstehen.
Beim Typ-1-DM kommt es durch eine meist immunologisch vermittelte Zerstörung der ß-Zellen zum absoluten Insulinmangel. Der LADA (Latent Autoimmune Diabetes in Adults) ist eine Sonderform des Typ-1-DM, der sich im Erwachsenenalter (> 25 Jahre) durch einen langsam entstehenden Insulinmangel manifestiert. Dem Typ-2-DM liegen mehrere Störungen zugrunde, die eng mit dem Metabolischen Syndrom assoziiert sind: Insulinresistenz, gestörte Insulin- und Glukagonsekretion, fortschreitende Apoptose der ß-Zellen. In Abhängigkeit von der Ausprägung dieser Faktoren erstreckt sich das Bild von der dominierenden Insulinresistenz bis zum vordergründigen sekretorischen Defekt mit allen Zwischenvarianten. Andere Diabetesformen entstehen aufgrund von genetischen Defekten (MODY = Maturity Onset Diabetes of the Young), Erkrankungen des exokrinen Pankreas (z. B. Pankreatitis, zystische Fibrose), Endokrinopathien (z. B. Akromegalie, Cushing-Syndrom, Phäochromozytom, Hyperthyreose), Infektionen (z. B. CMV) oder Medikamenten (z. B. Glucocorticoide, Neuroleptika, alpha-Interferon). Als Gestationsdiabetes ist eine erstmals während der Schwangerschaft diagnostizierte, gestörte Glukosetoleranz (75 g oGTT) definiert. Manifeste Diabetesformen, die erstmals während der Schwangerschaft festgestellt werden, fallen nicht unter die Diagnoseklasse des Gestationsdiabetes.
 
Diagnostik
Goldstandard für die Diagnostik des DM ist die Messung der Glukose im venösen Plasma unter effektiver Glykolysehemmung nach Blutabnahme (Fluorid + Citrat!). Das Ergebnis einer Erstmessung sollte durch eine zeitnahe Zweitmessung bestätigt werden. Auch der HbA1c-Wert kann für die Primärdiagnostik verwendet werden, sofern Verfälschungen z. B. durch Hämoglobinopathien, Erythrozytopathien, Schwangerschaft u. a. ausgeschlossen sind. Weitere Funktionstests (oGTT, GCT) sind nur bei nicht eindeutig pathologischen Nüchtern-Glukosewerten zulässig und indiziert. Bei Verdacht auf LADA ist die zusätzliche Bestimmung von GAD-AK (Autoantikörper gegen Glutamatdecarboxylase) zu empfehlen.
 
Richtwerte zur Feststellung eines Diabetes mellitus
  Gelegenheits-Plasmaglukose (unabhängig von Nahrungsaufnahme)
       ≥ 200 mg/dl  V. a. Diabetes mellitus
                    weitere Abklärung durch Nüchtern-Plasmaglukose
                    und/oder 75 g oGTT
  Nüchtern-Plasma-Glukose (> 8 h Nahrungskarenz)
       < 100 mg/dl  normal
   100 - 125 mg/dl  abnorme Nüchternglukose
       ≥ 126 mg/dl  Diabetes mellitus
  75 g oGTT 2 h-Plasmaglukose (Durchführung im Nüchternzustand)
       < 140 mg/dl  normal
   140 - 199 mg/dl  gestörte Glukosetoleranz
       ≥ 200 mg/dl  Diabetes mellitus
  HbA1c
     < 39 mmol/mol   (< 5,7 %)  kein Diabetes mellitus
  39 - 47 mmol/mol (5,7-6,4 %)  weitere Abklärung durch Nüchtern-Plasma-Glukose
                                und/oder 75 g oGTT
     > 47 mmol/mol   (> 6,4 %)  Diabetes mellitus
Richtwerte zur Feststellung eines Gestationsdiabetes
  Gelegenheits-Plasma-Glukose (unabhängig von Nahrungsaufnahme)
       ≥ 200 mg/dl   weitere Abklärung durch Nüchtern-Plasmaglukose
                     und/oder 75 g oGTT
  Nüchtern-Plasma-Glukose (> 8 h Nahrungskarenz)
      <  92 mg/dl   normal
   92 - 125 mg/dl   Gestationsdiabetes
      ≥ 126 mg/dl   manifester Diabetes mellitus
  50 g GCT (Glucose Challenge Test, SSW 24-28, unabhängig von Nahrungsaufnahme)
      < 135 mg/dl   kein Hinweis auf Gestationsdiabetes
  135 - 200 mg/dl   Verdacht auf Gestationsdiabetes
                    weitere Abklärung mittels 75 g oGTT
      > 200 mg/dl   Gestationsdiabetes
  75 g oGTT (oraler Glukose-Toleranztest, Durchführung im Nüchternzustand)
   Zeitpunkt          Glukose-Grenzwert
   Nüchtern (basal)    92 mg/dl
   Nach 1 Stunde      180 mg/dl
   Nach 2 Stunden     153 mg/dl
   Wird mindestens ein Grenzwert erreicht oder überschritten, liegt ein Gestationsdiabetes vor.
   Die Schwangere soll zum Gestationsdiabetes beraten und intensiv betreut werden.
Literatur
Kerner W, Brückel J. Definition, Klassifikation und Diagnostik des Diabetes mellitus. Diabetologie 7: S84-S87, 2012. (189)