Porphyrie-Diagnostik

Kategorie Lexikon
Stand14.02.2011
Enthaltene Parameter
Delta-Aminolävulinsäure; Porphobilinogen im Urin; Porphyrine im Urin (gesamt); Porphyrine im Blut; Porphyrin-Auftrennung
Zusatzinformation
Hintergrund
Genetische oder toxisch bedingte Enzymveränderungen können zu Störungen im Porphyrinstoffwechsel führen. Es resultiert eine Akkumulation der vor dem Block liegenden Stoffwechselmetaboliten. Die Porphyrinmetaboliten können primär im Urin und im Blut (Plasma, Erythrozyten) nachgewiesen werden. Die direkte Messung der Enzymaktivität kann von diagnostischer Bedeutung sein. In Frühstadien und Latenzphasen können Basisuntersuchungen weitgehend unauffällig sein, so dass Verlaufsbeobachtungen und/oder weiterführende Untersuchungen notwendig werden. Im Einzelfall kann die Diagnostik schwierig sein.
 
Basisdiagnostik
d-Aminolävulinsäure, Porphobilinogen, Gesamtporphyrine im Urin
 
Bewertung der Gesamtporphyrin-Bestimmung im Urin
Stark erhöhte Werte (3.000 - 20.000 µg/24 h) bei akuter intermittierender Porphyrie und bei Porphyria cutanea tarda, bei kongenitaler erythropoetischer Porphyrie (M. Günther) und bei akuter Bleivergiftung.
Leicht bis mäßig erhöhte Werte (bis 1000 µg/24 h) bei sekundären Porphyrien (Medikamente, Leberschäden, etc.)
Nicht erhöht bei erythropoetischer Protoporphyrie: EDTA-Blut untersuchen.
 
Weiterführende Diagnostik bei erhöhten Gesamtporphyrinen im Urin
  • Porphyrindifferenzierung im Urin. Uroporphyrin (Octacarboxy-Porphyrin), Hepta-, Hexa-, Pentacarboxy-Porphyrin, Koproporphyrin (Tetracarboxy-Porphyrin), ggf. Isomere I und III.
  • Wenn Latenz-Phase möglich: Verlaufskontrolle.
  • Spezielle Diagnostik (in spezialisierten Zentren): Enzym-Aktivitäts-Diagnostik: Porphyrine im Blut und ggf. im Stuhl.
 
Bei der Hämsynthese in den Mitochondrien werden Succinyl-CoA (aus dem Zitratzyklus) und Glycin zu d-Aminolävulinsäure (ALA) kondensiert. Nach Übertritt in das Zytosol entsteht aus zwei ALA-Molekülen unter Wasserabspaltung Porphobilinogen (PBG). Durch weitere Kondensation entsteht Octacarboxy-Porphyrinogen (= Uroporphyrinogen). Nach Oxidation zu Protoporphyrin und Einbau eines Eisenmoleküls wird es als Häm bezeichnet. Je nach Proteinkomponente stellt Häm die funktionelle Gruppe in Hämoglobin, Myoglobin, Cytochromen, Peroxidasen und anderen Hämoproteinen dar.
 
Hereditäre Porphyrien sind seltene Krankheiten, die auf genetisch bedingten Enzymdefekten der Häm-Biosynthese beruhen.
 
Erythropoetische Porphyrien
· Kongenitale erythropoetische Porphyrie (Günther-Krankheit): Manifestation im Kindesalter mit ausgeprägter Photosensibilität, die bei Lichtexposition zu Hautschäden führt (Photodermatose), später entwickelt sich eine hämolytische Anämie mit Splenomegalie.
 · Erythropoetische (erythrohepatische) Protoporphyrie: dritthäufigste Porphyrie, mit oft nur gering ausgeprägter Photosensibilität („Sonnenurtikaria"). Leberschaden durch Ablagerung von Protoporphyrin, erkennbar an der Koproporphyrinausscheidung im Urin.
 
Akute hepatische Porphyrien
· Typ 1: PBG-Synthase (= ALA-Dehydratase)-Defekt;
· Typ 2: Uroporphyrinogen-Synthase-Defekt = akute intermittierende Porphyrie (AIP); zweithäufigste Porphyrie und häufigste akute Porphyrie
· Typ 3: Koproporphyrinogen-Oxidase-Defekt = hereditäre Koproporphyrie
· Typ 4: Protoporphyrinogen-Oxidase-Defekt = Porphyria variegata
 
In der Latenzphase sind Patienten beschwerdefrei, die Urin-Porphyrinausscheidung ist in weiten Grenzen variabel. Das akute klinische Porphyriesyndrom beruht auf der massiven Induktion der ALA-Synthase durch eine zusätzliche Noxe (zahlreiche Medikamente, Alkohol, Sexualhormone, prämenstruell, Nahrungskarenz und Infektionen).
 
Chronische hepatische Porphyrien
· Chronisch hepatische Porphyrie (Porphyria cutanea tarda, PCT); Häufigste Porphyrie, Ursache ist eine genetische oder toxische Enzymstörung (evtl. mit genetischer Komponente). Entwicklung über mehrere latente Stadien in Monaten bis Jahren zur klinisch manifesten Porphyria cutanea tarda. Die Entwicklung wird durch Alkohol und Östrogene (Ovulationshemmer) beschleunigt.
 
  • Bleivergiftung
Blei hemmt mehrere Enzyme der Hämsynthese. Die akute Bleivergiftung entspricht dem klinischen Bild einer akuten Porphyrie. Bei chronischer Bleivergiftung entwickelt sich eine Anämie. Eine genetische Komponente ist möglich. Diagnostische Hinweise sind eine vermehrte ALA-Ausscheidung im Urin und erhöhte Bleispiegel.
 
Sekundäre Porphyrinopathien
Klinisch asymptomatisch!
 
Sekundäre Koproporphyrinurie
Assoziiert mit Leberschäden, Tumoren, Blutbildungsstörungen, Medikamenten, Infektionen, Diabetes mellitus, hereditären Hyperbilirubinämien, Intoxikationen, Schwangerschaft, Nahrungskarenz. Übergang in (symptomatische) chronisch hepatische Porphyrie möglich.
Sekundäre Protoporphyrinämie
Assoziiert mit Schwermetallintoxikationen, Blutbildungsstörungen, Vitamin B6-Mangel, Alkoholabusus, INH-Therapie.
Literatur
Gutierrez PP, Wiederholt T, Bolsen K, Gardio K, Schnabel C, Lammert F, Bartz C, Kunitz O, Frank J. Diagnostik und Therapie der Porphyrien. Dtsch Ärztebl 101: 1250-5, 2004. (164)