Schwangerschaftsrelevante Infektionen

Fetopathie, Embryopathie, fetale Infektion, Abort

Kategorie Lexikon
Stand09.09.2009
MaterialSerum ggf. EDTA-Blut für PCR-Untersuchungen ggf. Fetalblut
Zusatzinformation
Hintergrund
Infektionen in der Schwangerschaft können die Schwangere und das Ungeborene gefährden. Dabei können leichte Symptome, wie niedriges Geburtsgewicht, bis hin zu schwerwiegenden Embryo- oder Fetopathien und intrauterinem Fruchttod auftreten.
Im Folgenden sind die häufigsten schwangerschaftsrelevanten Infektionen mit Informationen zum Gefährdungspotential und zur Diagnostik zusammengestellt. Bezüglich weiterführender Informationen zu den Erkrankungen sei auf die jeweiligen Erreger-Steckbriefe verwiesen.
 
Röteln
Mütterliches Risiko: Klinischer Verlauf nicht schwerer als außerhalb der Schwangerschaft.
Kindliches Risiko: Rötelnembryopathie (Gehörschäden, strukturelle Defekte, Augendefekte, Herzmissbildungen etc.) bei Infektion
bis zur 11. SSW: Infektionsrate 70 - 90 %, Embryopathierate 25 - 65 %
in der 11. - 17. SSW: Infektionsrate ca. 55 %, Embryopathierate 8 - 20 %
nach der 17. SSW: Infektionsrate ca. 20 - 35 %, Embryopathierate ca. 3,5 % (Normalrisiko)
Bei Impfung der Mutter in der Frühschwangerschaft bzw. kurz vor Konzeption kann es zur Infektion des Ungeborenen ohne Ausbildung einer Embryopathie kommen (Impfröteln).
Diagnostik: IgG-AK im Rahmen der Mutterschaftsvorsorge, sofern keine zweimalige Impfung oder eine bestehende Immunität dokumentiert sind, ggf. sind Zusatzteste erforderlich.
 
Toxoplasmose
Mütterliches Risiko: Klinischer Verlauf nicht schwerer als außerhalb der Schwangerschaft.
Kindliches Risiko: Nur die Erstinfektion in der Schwangerschaft führt zur pränatalen Toxoplasmose.
Infektion im 1. Trimenon: Infektionsrate 4 - 15 %, klinisch Abort oder schwere Toxoplasmose (zerebrale Verkalkungen, Hepatosplenomegalie, Chorioretinitis etc.), Infektion im 2. und 3. Trimenon: steigende Infektionsrate (bis zu 60 %), aber weniger schwerwiegende Symptomatik des Kindes. Auch eine Infektion kurz vor der Konzeption kann zur Infektion des Ungeborenen führen.
Diagnostik: Bei V. a. Toxoplasmose in der Schwangerschaft Toxoplasma gondii-IgM und -IgG-AK und IgG-AK-Avidität bestimmen, ggf. sind Zusatzteste erforderlich.
 
Cytomegalie-Virus(CMV)-Infektion
Mütterliches Risiko: Klinischer Verlauf in der Regel nicht schwerer als außerhalb der Schwangerschaft.
Kindliches Risiko: Bei Primärinfektion von Schwangeren wird das Virus in ca. 30 - 50 % auf das Kind übertragen. Insgesamt kommt es bei 5 - 15 % der Kinder zu einer klinisch manifesten Infektion (konnatale CMV-Infektion): Typische Symptome umfassen Hepatosplenomegalie, Petechien, Ikterus, Thrombozytopenie, Mikrozephalie, Retinitis, Hepatitis, geringes Geburtsgewicht. Bei CMV-Reaktivierung während der Schwangerschaft (bei 10 - 20 % der Schwangeren) kommt es nur in ca. 0,05 bis 0,1 % der Kinder zu manifester Erkrankung (Übertragungsrate 1,2 %).
Diagnostik: Bei V.a. Infektion in der Schwangerschaft CMV-IgM-, -IgA- und -IgG-AK und ggf. IgG-AK-Avidität bestimmen, ggf. sind Zusatzteste (z. B. Immunoblot) erforderlich.
 
Lues (Treponema pallidum)
Mütterliches Risiko: Klinischer Verlauf in der Regel nicht schwerer als außerhalb der Schwangerschaft.
Kindliches Risiko: Primärinfektionen und Reinfektionen können zur Infektion des Ungeborenen führen. Die Transmissionrate auf das Ungeborene beträgt bei Primärlues 70 - 100 %, in der Frühlatenz 40 % und in der Spätlatenz 10 %. Je länger das Zeitintervall zwischen Infektionszeitpunkt und Schwangerschaft, desto geringer ist das Risiko für das Kind. Die Infektion des Fetus kann bereits im 1. Trimenon erfolgen. Die Erkrankung des Kindes ist jedoch Folge von Entzündungsreaktionen, die erst nach Reifung des Immunsystems auftreten können. Eine Gefährdung des Fetus ist daher erst ab dem 4. - 5. Schwangerschaftsmonat zu erwarten.
Das infizierte Neugeborene kann asymptomatisch sein oder sehr unterschiedliche Symptome bis zu einem Multiorganbefall zeigen. Frühphase (in den ersten 2 Lebensjahren): persistierende Rhinitis, Hepato-/Splenomegalie, Lymphadenopathie, Haut-, Knochen- und ZNS-Veränderungen. Spätstadium: Hutchinson-Trias (Tonnen-Zähne, Keratitis, Innenohrschwerhörigkeit), meist asymptomatische Neurolues bei bis zu 30 % der Patienten > 2 Jahre.
Diagnostik: Lues-Suchtest laut Mutterschaftsvorsorge (obligat im 1. Trimenon). Bei positivem Befund erfolgt weitere Abklärung mittels Bestätigungstesten und Aktivitätsmarkern.
 
Ringelröteln (Parvovirus B19)
Mütterliches Risiko: Klinischer Verlauf nicht schwerer als außerhalb der Schwangerschaft.
Kindliches Risiko: Symptomatische und asymptomatische Infektionen in der Schwangerschaft können zu Spontanabort, intrauterinem Tod, Hydrops fetalis (Risiko 3 - 4 %) und Wachstumsretardierung führen. Diaplazentare Transmissionsrate: 25 - 30 %, fetale Todesfälle in 6 - 9 %, Hydrops-Risiko ist im 2. Trimenon am größten. Bei Infektion nach der 20. SSW besteht kein erhöhtes kindliches Risiko mehr. Fetale Komplikationen treten in der Regel 2 - 8 Wochen nach Ausbruch der mütterlichen Infektion auf, selten noch nach 3 - 5 Monaten. Es sind keine Missbildungen beschrieben.
Diagnostik: Bei V. a. Ringelröteln in der Schwangerschaft Parvovirus B19-IgM- und -IgG-AK bestimmen. Bestimmung von IgG-AK bei Kontakt zu Patienten mit Ringelröteln zur Beurteilung des Immunstatus.
 
Listeriose
Mütterliches Risiko: Klinischer Verlauf in der Regel nicht schwerer als außerhalb der Schwangerschaft.
Kindliches Risiko: Infektionen auch bei asymptomatischer Infektion der Schwangeren möglich. Übertragung der Listerien über die Plazenta ab 4. Schwangerschaftsmonat möglich, Gefahr der Granulomatosis infantiseptica (Sepsis, Atemnotsyndrom, Hautläsionen).
Diagnostik: Kultureller Erregernachweis aus Blut, Liquor, Amnionflüssigkeit etc.
 
Herpes simplex-Virus(HSV)-Infektion
Mütterliches Risiko: Klinischer Verlauf in der Regel nicht schwerer als außerhalb der Schwangerschaft.
Kindliches Risiko: Perinatal kann ein primärer oder reaktivierter Herpes genitalis (mit oder ohne Bläschen!) zur Infektion des Kindes führen. Der Herpes neonatorum reicht von leichten, auf die Haut und Schleimhäute beschränkte Infektion bis hin zu Sepsis und Enzephalitis mit hoher Letalität.
Diagnostik: Bei V. a. floriden Herpes um den Geburtstermin DNA-Nachweis aus Bläschenabstrich.
 
Windpocken (Varizella-Zoster-Virus)
Mütterliches Risiko: Bei Schwangeren verlaufen Windpocken häufiger mit Komplikationen, vor allem mit einer Varizellenpneumonie.
Kindliches Risiko: Fetales Varizellensyndrom: bei Erstinfektion der Schwangeren bis zur 20. SSW bei 2 % der Kinder: segmental angeordnete Hautveränderungen (Ulcera, Narben), neurologische Manifestationen (Hirnatrophie, Paresen, Krampfleiden), Augenschäden (Mikrophthalmie, Chorioretinitis, Katarakt) und Skelettanomalien
Neonatale Varizellen: Bei einer Erkrankung der Mutter innerhalb von 5 Tagen vor oder bis zu 48 Stunden nach der Geburt. Da das Neugeborene in diesen Fällen transplazentar keine protektiven Antikörper erhält und ein unreifes Immunsystem hat, sind die Verläufe sehr schwer und mit einer Letalitätsrate bis zu 30 % verbunden. Das größte Risiko haben Neugeborene, die zwischen dem 5. und 10. (12.) Lebenstag an Varizellen erkranken.
Diagnostik: Bei V. a. Windpocken in der Schwangerschaft VZV-IgM- und -IgG-AK bestimmen. Bestimmung von IgG-AK bei Kontakt zu Patienten mit Windpocken zur Beurteilung des Immunstatus.
 
HIV-Infektion
Mütterliches Risiko: Klinischer Verlauf in der Regel nicht schwerer als außerhalb der Schwangerschaft.  
Kindliches Risiko: Das Risiko der Übertragung hängt im Wesentlichen vom Blutaustausch während der Geburt und von der Viruslast der Mutter ab. Durch interdisziplinäre Schwangerenvorsorge, risikoadaptierte antiretrovirale Therapie in der Schwangerschaft, primäre Sectio caesarea und antiretrovirale Medikation des Kindes post sectionem konnte die HIV-Übertragungsrate HIV-infizierter Mütter auf unter 2 % in Deutschland gesenkt werden.  
Diagnostik: HIV-1/2-Test ist laut Mutterschaftsvorsorge empfohlen, sofern Schwangere einverstanden ist. Betreuung der HIV-positiven Schwangeren in spezialisiertem Zentrum ist dringend zu empfehlen.  
 
Hepatitis B
Mütterliches Risiko: Klinischer Verlauf in der Regel nicht schwerer als außerhalb der Schwangerschaft.
Kindliches Risiko: Übertragung in über 90 % intrapartum und nur in ca. 10 % pränatal gegen Ende der Schwangerschaft. Risikofaktor für eine spätintrauterine Transmission ist eine akute Infektion im 3. Trimenon mit hoher HBV-Viruslast.
Transmissionsrate bei asymptomatischen, chronisch infizierten sog. Carrier-Müttern ca. 10 - 20 % und bei HBs-Ag-positiven Schwangeren mit positivem HBe-Ag-Befund bzw. mit hoher HBV-Viruslast 80 - 90 %. Perinatal infizierte Kinder werden in 90 % zu chronischen Hepatitis B-Trägern.
Diagnostik: HBs-Antigen-Bestimmung laut Mutterschaftsvorsorge (obligat im 3. Trimenon), bei positivem Befund ist eine weitere Abklärung erforderlich.