Hämoglobinopathien (Gendiagnostik)

Thalassämien, Hb-Gendiagnostik, Alpha-Thalassämie, HBA1-Gen, HBA2-Gen, Beta-Thalassämie, HBB-Gen

Kategorie Laboruntersuchung
Stand26.03.2024
Abrechenbarkeit EBM
ErbringerWeiterleitung
MethodeDNA-Sequenzanalyse (NGS)
Material2 ml EDTA-Blut
Kurzinformation
Unterliegt dem GenDG! Die Einwilligungserklärung des Patienten für humangenetische Untersuchungen muss vorliegen!
Es erfolgt eine Multiplex-PCR basierte Amplifikation der Alpha-Globin-Gene HBA1 (Referenzsequenz NM_000558.4), HBA2 (Referenzsequenz NM_000517.4) und des Beta-Globin-Gens HBB (Referenzsequenz NM_000518.4).
Zusatzinformation
Hintergrund
(Datenbankeintrag: OMIM 141800, 141900, 603903)
Die Hämoglobinopathien gehören zu den häufigsten monogenen Erb­krankheiten. Weltweit sind etwa 4,5 % der Menschen Anlageträger einer Thalassämie oder Hb-Anomalie. Die Hämoglobinopathien bilden eine hete­ro­gene Gruppe von genetisch bedingten Erkrankungen, die durch eine defekte Synthese des normalen Hämoglobins (Hb) gekennzeichnet sind. Das Hb-Molekül ist ein Tetramer aus vier Globinketten, wobei jeweils zwei gleiche Ketten eingebaut werden (HBA: a2b2, HBA2: a2d2, HbF: a2g2). Abhängig davon, welches Globingen betroffen ist, unterscheidet man zwi­schen den a- und den b-Thalassä­mien.
Die häufigste molekularge­ne­tische Ursache für eine a-Thalassämie ist die Deletion von einem oder von beiden a-Globin-Genen auf Chromo­som 16p13.3 (95 % der Fälle), Punkt­mutationen, kleine Deletionen oder Inser­tio­nen sind wesentlich sel­tener.
Der Großteil der b-Thalassämien wird durch Punktmutationen im b-Globin-Gen verursacht, Deletionen sind eher selten. Abhängig von der Mutation kommt es zu einem teilweisen oder vollständigen Ausfall der b-Ketten­synthese (b+- oder b°-Thalassämie).
Die Sichelzellanämie beruht auf einer homozygoten Punktmutation (HbS-Mutation) im b-Globin-Gen oder auf einer HbS-Mutation, die compound heterozygot mit einer weiteren Mutation im b-Globin-Gen vorliegt. Das resultierende Hämoglobin HbS neigt bei Sauerstoffmangel zur Auskristalli­sation. Dies führt zur charakteristischen Formveränderung der Erythro­zyten (Sichelzellen).
Die a-Thalassämie ist verbreitet in Südostasien, Saudi-Arabien, Afrika, sel­tener in Europa, die b-Thalassämie ist in den Mittelmeerländern, in Teilen Asiens, im Nahen Osten und in Westafrika sehr häufig. Die Sichelzell­anämie hat vor allem in West- und Ost-Afrika, Saudi-Arabien, Iran, Zentral­indien und Malaysia eine hohe Prävalenz.
 
Klinische Bedeutung
Der vollständige Verlust der a-Globin-Gene (--/--) ist in der Regel nicht mit dem Leben vereinbar (Hb-Bart´s-Hydrops-fetalis Syndrom). Ist nur noch ein funktionelles a-Globin-Gen vorhanden (--/-a), führt dies zur HbH-Krank­heit. Ein wesentliches Kennzeichen dieser Erkrankung ist, neben einer stark ausgeprägten hypochromen mikrozytären Anämie, der Nach­weis von Hämoglobin H (HbH, Tetramer aus vier b-Ketten). Bei der a-Tha­las­sämia minor, bei der zwei a-Globin-Gene deletiert sind, bestehen nur geringe hämatologische Veränderungen (Mikrozytose, Hypochromasie). Es kön­nen zwei verschiedene Genotypen vorliegen: die homozygote a+-Tha­lassämie (-a/-a) und die heterozygote a°-Thalassämie (--/aa). Bei Deletion eines a-Globin-Gens (-a,aa, entspricht einer heterozygoten a+-Tha­las­sämie), sind die hämatologischen Parameter meist unauffällig.
Die b-Thalassämien werden nach dem klinischen Schweregrad als Tha­lassämia major und intermedia (homozygote oder compound-hetero­zy­gote Mutationen im b-Globin-Gen) bezeichnet. Bei der schwersten Form, der sogenannten Cooley-Anämie liegt eine schwere Anämie vor, die le­benslang transfusionsbedürftig ist. Die Patienten haben eine stark ver­größerte Leber und Milz, leiden an Wachstumsstörungen, schweren Schä­den der inneren Organe und an Knochenfehlbildungen. Bei der heterozy­goten Thalassämia minor liegen meist keine oder klinisch sehr milde Symp­­tome vor.
Patienten mit Sichelzellanämie leiden unter einer hämolytischen Anämie und Schmerz­zuständen. Häufig sind Milzinfarkte, die dazu führen können, dass auf­grund des Funktionsverlustes der Milz die Patienten erheblich infektions­gefährdet sind.
  
Indikationen für die genetische Untersuchung
  • Bei V. a. β-Thalassämie: mikrozytäre Eisen-refraktäre Anämie, Hepatosplenomegalie, Ikterus, Gedeihstörungen, in der Hb-Elektrophorese erhöhtes HbA2, evtl. auch HbF erhöht
  • Bei V. a. α-Thalassämie: Anämie, Hypochromie, Mikrozytose, in der Hb-Elektrophorese kann HbA2 erniedrigt sein
  • Hämoglobinopathie in der Familie, Ausschluss von Anlageträgerschaft bei Risikopersonen mit Kinderwunsch
  • Pränataldiagnostik, bei nachgewiesener Anlageträgerschaft von beiden Elternteilen